Allgemeine Informationen über „Loverboys"
Ein „Loverboy“ ist ein junger Mann, der eine Liebesbeziehung zu einem meist jüngeren Mädchen (manchmal schon Elf- oder Zwölfjährige) vortäuscht: Er manipuliert sie emotional, isoliert sie sozial und zwingt sie in die Prostitution. Mit Drogen, Gewalt und Drohungen macht er sie hörig – sie ist ihm ausgeliefert.
Laut Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung des Bundeskriminalamtes (BKA) waren 2021 22,8% der Betroffenen des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung deutsch und 92,8% weiblich. Rund jede dritte Betroffene war unter 21 Jahre alt.(1) Laut dem Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e. V. (KOK) berichtet ein Großteil der deutschen von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung Betroffenen über „Loverboy“-Beziehungen oder ähnliche emotionale und psychische Abhängigkeiten.(2)
Die Masche mit der „Liebe“, um Mädchen und Frauen in die Prostitution zu locken, gibt es schon lange und weltweit. Obwohl dem Phänomen seit einiger Zeit in den Medien mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, bleibt die Bekanntheit der „Loverboy“-Methode unter Jugendlichen gering. Wir wollen Kinder und Jugendliche über die Masche informieren und aufklären, um sie davor zu schützen, Opfer dieser Menschenhändler und Zuhälter zu werden.
(1) Die Zahl der Betroffenen, über die im Bundeslagebild berichtet wird, repräsentiert lediglich das Hellfeld. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist.
(2) Müller-Güldemeister, Susanne: Expertise zum Thema deutsche Betroffene von Menschenhandel. KOK., S. 21, 05.12.2011.
Wer oder was ist ein „Loverboy"?
„Loverboys“ sind meist junge Männer zwischen 18 und 30 Jahren. In der Regel sind sie älter als die betroffenen Mädchen. Oft kommen sie schon früh durch Verwandte oder Freund:innen mit Prostitution, Drogen- und Waffenhandel in Berührung und werden von ihnen entsprechend vorbereitet.
Um Mädchen zu ködern, benutzen die „Loverboys“ eine alte Masche: Liebe. Sie sind Meister der Psychologie und der Manipulation. Durch Medienberichte und Aussagen von Betroffenen entsteht der Eindruck, dass „Loverboys” fast ausschließlich Migrationshintergrund haben, es gibt allerdings keinerlei Zahlen und/oder Studien, die das belegen würden. Deutlich wird, dass „Loverboys“ oft aus sozialen Randgruppen stammen; so sind beispielsweise Verbindungen zu Motorrad-Gangs bekannt. Ein Migrationshintergrund bei „Loverboys“ ist zwar nicht auszuschließen, hat aber für die Problematik selbst keine Bedeutung.
Betroffene von „Loverboy“-Beziehungen – und damit von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung – machen oft eine starke Veränderung durch: Sie können an Depressionen und ausgeprägten Stimmungsschwankungen leiden, unsicher sein und/oder ein wenig realistisches Selbstwertgefühl haben. Sie scheinen keine eigene Identität zu haben und sind ihrer Familie gegenüber oft aggressiv. Es kann sein, dass sie häufig müde sind. Eventuell sind sie abgemagert und haben blaue Flecken an Armen und Rücken, wo sie leicht zu verbergen sind. Oft tragen sie viel Make-up.
Verändertes Verhalten
Betroffene verbringen viel Zeit online. Häufig haben sie mehrere Handys oder Prepaidkarten: So sind sie immer für den „Loverboy“ erreichbar, der sie Tag und Nacht kontrollieren und über sie verfügen kann. Ein Hinweis, dass ein Mädchen betroffen sein könnte, kann auch häufiges und sehr langes Duschen sein. Betroffene können oft nicht über Prostitution sprechen und projizieren die Geschehnisse auf eine andere Person. Einige Betroffene neigen auch zu selbstverletzendem Verhalten.
Zunehmende Isolierung
Im Zuge einer „Loverboy“-Beziehung verschlechtern sich meist auch die schulischen Leistungen Betroffener; sie beginnen zu schwänzen und entwickeln eine Weglauftendenz. Zunehmender Konsum von Alkohol und anderen Drogen, der neue Kontakt zu oft älteren Jungen oder jungen Männern, das scheinbar grundlose Kündigen von Freundschaften oder Ablehnen von Besuchen bspw. bei Großeltern können ebenfalls darauf hindeuten, dass ein Mädchen sich in einer „Loverboy“-Beziehung befindet. Ein weiterer Anhaltspunkt kann sein, dass das Mädchen von dem jungen Mann häufig mit dem Auto zur Schule gebracht und abgeholt wird.
Hinweise auf Gefahr
Einige dieser Verhaltensauffälligkeiten wie bspw. sehr langes Duschen können auch auf andere Formen sexueller Gewalt hinweisen.
Auch normale hormonelle Schwankungen und Veränderungen während der Pubertät können das Auftreten einiger der beschriebenen Verhaltensweisen verursachen. Treten jedoch über einen kurzen Zeitraum mehrere dieser Anzeichen bei einem Mädchen erstmals auf, können sie ein Hinweis darauf sein, dass dieses Mädchen bereits von einer „Loverboy“-Beziehung betroffen ist oder Gefahr läuft, zu einer Betroffenen zu werden.
Betroffene zeigen „Loverboys" häufig nicht an
- aus Angst vor ihm (z. B. Gewaltanwendung, Veröffentlichung von Vergewaltigungsvideos usw.)
- aus Scham, da sie denken, sich freiwillig für die Prostitution entschieden zu haben und daher glauben, selbst an ihrer Lage schuld zu sein
- weil sie ihn trotz allem lieben und schützen wollen
- weil sie nicht glauben können, dass alles nur eine Lüge war
- weil sie traumatisiert sind
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Traumabindung
Oft ist es für Außenstehende schwer zu verstehen, warum die Betroffenen die Beziehung nicht einfach beenden. Die „Loverboy"-Methode ist jedoch für alle Betroffenen (auch für Eltern, Freund:innen usw.) schwer zu durchschauen. Außerdem sind betroffene Mädchen und Frauen häufig durch ein Trauma an den „Loverboy" gebunden. Ein Trauma ist eine schwere seelische Verletzung, die durch Erlebnisse ausgelöst wird, in denen man sich ausgeliefert fühlt, keinerlei Kontrolle mehr hat und um sein Leben und/oder seine körperliche Unversehrtheit fürchtet.
Bei einer sogenannten Traumabindung reagieren Betroffene von „Loverboys" psychisch auf den erlebten Missbrauch, indem sie sich noch intensiver an den „Loverboy" binden. In dieser schrecklichen Phase ist er ihre einzige Konstante. Durch die zuvor hingebungsvoll aufgebaute Beziehung und dadurch, dass er ihre (manchmal einzig bleibende) Bezugsperson ist, projizieren Betroffene Hoffnungen auf ihn und die gemeinsame Beziehung. Der „Loverboy" wechselt blitzschnell von Aggression und Gewalt zu Fürsorge und Zuneigung und wiegt das Mädchen so immer wieder in Sicherheit. Seine Manipulation, ein Teufelskreis aus Unsicherheit/Sicherheit, Trauer/Trost, wird oft als „Zuckerbrot und Peitsche" beschrieben. Betroffenen fällt es sehr schwer, sich davon zu lösen. Mehr Informationen zu Traumabindung gibt es z. B. bei SandraNorak.com
Auch Jungen können von der „Loverboy"-Methode betroffen sein, auch wenn es bei ihnen in den allerwenigsten Fällen um sexuelle Ausbeutung geht.
Jungen werden vielmehr zu Kurierdiensten für Drogen und/oder Waffen oder dazu gezwungen, Kontakt zu Mädchen herstellen. Manche dieser Jungen wissen, was sie tun, andere nicht. Auch sie können ein emotional ambivalentes Verhältnis zu den „Loverboys“ haben: Sie können in einer emotionalen Abhängigkeit auf freundschaftlicher Ebene zum „Loverboy„ stehen, den sie als Vorbild ansehen und dessen Forderungen sie gerecht werden wollen. Gelegentlich sind sie drogenabhängig und auf die Gunst des „Loverboys" angewiesen.
Bisher sind nur wenige Fälle homosexueller „Loverboy”-Betroffener zum Zweck der sexuellen Ausbeutung bekannt geworden, doch auch unter männlichen Betroffenen (in homo- und heterosexuellen „Loverboy"-Beziehungen) kann die Dunkelziffer deutlich höher sein. Es gibt bisher nur sehr wenige diesbezügliche Informationen.